Kinder vergiftet?

Das war mal ein Tag, den ich so nicht mehr gebrauchen kann… Aufgrund der schlechten Wetterprognose hatte ich beschlossen, mit meinem Kleinsten eine Freundin zu besuchen, deren Sohn D. ebenso alt ist wie meiner. Die beiden kennen sich auch aus dem Kindergarten und spielen immer schön miteinander.

Es war ein ruhiger und gemütlicher Nachmittag, wir Eltern hielten ein Schwätzchen am Kaffeetisch und die Kleinen vergnügten sich im Kinderzimmer. Gegen 18 Uhr schien das Wetter besser zu werden, also ließen wir die zwei nochmal kurz in den Garten, während ich langsam meine Siebensachen packte um den Heimweg anzutreten. Gegen 18.30Uhr verließen wir dann das Haus und gingen die 2 Minuten bis nach Hause – alles schien gut.

18.45Uhr klingelte es an der Haustüre… nanu? Wer will denn um diese Uhrzeit noch etwas von mir?

Meine Freundin stand vor der Türe, in der Hand eine Plastikwanne, ihr Mann im laufenden Auto auf der Straße

„Die Kinder haben vom Kirschlorbeer gegessen. Ich habe 11 Steine gefunden. Wir fahren ins Krankenhaus.“

Manchmal bedarf es nicht vieler Worte… Ich raffte schnell meinen Schlüssel, die Krankenkassenkarte meines Sohnes, den Kindersitz und mein Kind zusammen und lief zum Auto meiner Freundin. Ich war heilfroh nicht selbst fahren zu müssen, ich glaube ich hätte einen Unfall gehabt.

Auf dem Weg zum Krankenhaus erklärte mir der Vater von D., dass sie bereits beim Giftnotruf angerufen hatten, und deren Ratschlag war, besser ins Krankenhaus zu fahren, damit sich ein Arzt die Kinder ansieht. Ein kurzer Blick ins Internet auf die Seite eines Giftinformationszentrums zeigte schnell, dass das wirklich nötig zu sein schien.

Mein Kind versicherte mir immer wieder unter Tränen, es habe keine Beeren gegessen – doch es fanden sich rote Spuren unter den Fingernägeln und ein kleiner roter Fleck an der linken Wange. Auf dem Fahrtweg stellte sich heraus, dass er sich vor allem darüber sorgte, der Arzt würde ihn „aufsägen“ um nachzusehen, ob er etwas von den verbotenen Früchten genascht hatte. Diese Angst könnte ich ihm immerhin nehmen hoffe ich…

Unterwegs telefonierte meine Freundin mit der Klinik und erfragte, wo wir am besten hingehen sollen, denn das Krankenhaus ist sehr groß. Die normale Notaufnahme wurde uns als Anlaufpunkt genannt, also begaben wir uns dort hin. Ich fragte mein Kind nun einmal anders – nicht 

Hast Du etwas von den Beeren gegessen“ 

worauf ja immer ein „Nein“ kam, sondern

Wie haben sie denn geschmeckt?“

woraufhin er mir

„Gar nicht so lecker.“

antwortete. Also doch…

An der Notaufnahme angekommen reihten wir uns ein in die Schlange der Wartenden. Eine Dame erzählte permanent und pausenlos darüber, wie schlecht es ihr gerade geht, und meinte (sehr einfühlsam) dass unsere beiden ja wirklich richtig krank aussehen würden, so blass und still. Danke, das beruhigt ja ungemein…

Als wir endlich dran waren schaute uns die „Vorzimmerdame“ verwundert an

„Was wollen sie hier?“

Unsere Kinder haben vermutlich die Beeren einer giftigen Pflanze gegessen, und am Telefon hat man uns gesagt, dass wir hierher in die Notaufnahme kommen sollen.“

„Dann hat man ihnen etwas falsches gesagt. Sie müssen rüber in die Kinderklinik.“

„Ja aber… Wir haben jetzt so lange gewartet und…“

„Ihre Kinder atmen und haben einen Herzschlag, oder? Dann gehen sie jetzt rüber zur Kinderklinik.“

Danke fürs Gespräch. Also wieder durch Flure gehetzt während D. versicherte, er habe „Gar keine Angst“, während mein Filius meinte „Aber ich. Ich habe große Angst im Krankenhaus.“ Der arme Kerl…

Angekommen in der Kinderklinik sank unser Mut: im Vorraum zum Arzt warteten etwa 10- 20 Familien, und die Zeit, die angegeben wurde um mit einem Arzt zu sprechen lag laut Aussage der Wartenden bei etwa 2,5 Stunden. Prima, der Abend wird immer besser.

Wir wurden in die Anmeldung gerufen und schilderten der Dame dort unser Problem. Sie fragte erst einmal recht kurz angebunden nach den „Gesundheitskarten“, und taute erst ein wenig auf als sie hörte, dass D. privat versichert ist. Nach dem einlesen der Karte meines Kindes schrieb sie uns die Telefonnummer des Giftnotrufes auf, und bat uns, erst einmal dort das Vorgehen zu erfragen. Wenn wir dann eine Information hätten, sollen wir wieder in die Anmeldung kommen, sie würde diese Information dann dem Arzt weiterleiten und der würde entscheiden was wir machen. Das aber bitte nicht hier im Büro sondern draußen auf dem Flur, es würden noch andere Leute warten. 

Während meiner Freundin der Mund offen stehen blieb, fasste ich mich einige Sekunden schneller – ich bin diese Art Umgangston ja von diversen Telefonaten mit dem Klinikpersonal aus der Apotheke schon gewohnt.

Ich rief mit meinem Handy also die Nummer an, und während mein Kind wieder anfing zu weinen (er hatte ein etwa 8 jähriges Mädchen erblickt, das im Warteraum eingeschlafen war und gedacht, sie sei gestorben) telefonierte ich mit einer ruhigen, kompetenten und einfühlsamen Dame vom Giftnotruf. Sie beruhigte mich dahingehend, dass die Beeren des Kirschlorbeers offenbar äußerst wenig Blausäure enthalten, und die Gefahr eher von den Samen/Kernen ausgeht – und das auch nur, wenn sie vor dem verschlucken zerkaut worden sind. Die Giftigkeit der Pflanze würde in der Literatur als schlimmer beschrieben, als sie in Wirklichkeit sei. Es würde ausreichen, den Kindern genügend zu trinken anzubieten, und im Falle von Magenschmerzen oder Durchfall je 10 Kohletabletten aufgeschlämmt einzugeben.

Wir teilten das der Dame im Vorzimmer mit, verließen das Krankenhaus umgehend ohne einen Arzt auch nur von hinten gesehen zu haben, und fuhren nach Hause. Ein kurzer Zwischenstopp wurde noch bei der Vorstadtapotheke eingelegt, um Kohlepulver mitzunehmen (man weiß ja nie…) und fertig war die Odyssee. Auf der Autofahrt haben wir versucht, den Kindern zu erklären, warum es so schlimm ist, wenn sie Beeren/Pilze/sonstige Pflanzenteile essen, ohne uns vorher zu fragen ob sie genießbar sind. Eigentlich dachten wir, sie hätten das schon verinnerlicht, aber offenbar… nun denn.

Ich bin für heute jedenfalls bedient, und werde mir beim nächsten Vorfall in dieser Art wohl auch mal WIKIPEDIA zu Gemüte führen, denn das was die Dame vom Giftnotruf erzählt hat findet sich dort exakt so beschrieben. Ansonsten bin ich einfach nur erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert ist und dort nicht eine Eibe stand. Zehn Minuten alleine im Garten hätten ausreichen können um unser Leben zu zerstören! Der Kirschlorbeer kommt jedenfalls noch an diesem Wochenende weg.

Über ptachen

PTA mit Leib und Seele.
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6 Antworten zu Kinder vergiftet?

  1. ednong schreibt:

    „… eine Eine stand …“? Was meintest du wirklich?

    Ja Notaufnahmen sind immer speziell. Gut, dass es so gut verlaufen ist und es den Kids gut geht.

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  2. aponettesplauderei schreibt:

    Was für eine Odyssee! Mein Beileid, aber welch guter Ausgang. Aber glaubst Du nicht, dass das als „Lehre“ für die Kids gereicht hat? Davon essen sie nicht mehr. Ich hab auch nur ein einziges Mal grüne Haselnüsse gegessen, das Bauchweh hab ich nicht so schnell vergessen…..

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  3. BJ68 schreibt:

    a) „Verbotene Früchte“ sind scheiße…besonders der Begriff „verbotene“, nicht nur weil verbotene Früchte bekanntlich die Süßesten sind, sondern weil im Fall des Falles Kinder aus Angst vor Bestrafung damit nicht rausrücken, gilt z.B. für Pornos im Internet oder dortiger Kontakt zu Fremden usw.
    Solche und ähnliche Dinge erfährt man dann als Betreuer….
    b) Eibe: Frag mal Eltern ob sie eine Eibe überhaupt erkennen würden….zumindest schmecken (eigene Erfahrung) die Nadeln sehr beschissen (bitter, adstringierend, wenn ich mich richtig erinnere)…Früchte natürlich süß, allerdings sind diese schleimig/klebrig am Gaumen (unangenehm) und vor allem ungiftig, sofern der Samen nicht zerkaut wird.
    Da dürfte es einiges andere geben, was geschmacklich viel besser schmeckt und wovon im Fall des Falles mehr gegessen wird, mit fataler Wirkung.
    Btw. Tollkirsche schmeckt auch lecker….sehr süß und zumindest als Erwachsener ist eine Frucht kein Problem.
    c) und selbst wenn der Garten kindersicher ist…dann bleibt immer noch die freie Natur, die sich um Kindersicherheit nichts scheißt….
    Okay….der „Denkzettel“, die Aktion dürfte jetzt gesessen haben……
    Bj68

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  4. Judi schreibt:

    Auweh. Gut, dass es gut ausgegangen ist! Den Kids ist es vielleicht wirklich eine Lehre, wobei manchmal ja doch die Neugier überwiegt und die Konsequenzen erst später klar werden.

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  5. sakasiru schreibt:

    Hachja. Erinnert mich an meinen Sohn, der kotzend und würgend im Bad stand und beteuert hat, er habe nichts verschluckt. Nichts, als das Rettungsteam ankam, nichts, als wir in der Klinik gleich durchgewinkt wurden … Erst als dann die versammelte Ärzteschaft vor dem Röntgenbild stand und den dicken weißen Fleck in seinem Hals bewunderte, änderte er seine Geschichte von „hab nix verschluckt“ in „weiß nicht mehr“.
    Ich habe seitdem versucht ihm beizubringen, dass es eine ganz blöde Idee ist, Ärzte und andere medizinisches Personal anzulügen: Aber ob das so klappt, wenn er Angst hat und verdrängen will, dass er was falsch gemacht hat?
    Es war übrigens eine 2 Euro Münze. Gemopst von seinem Bruder.

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