Passend zur aktuellen Diskussion wurde ich von der DocCheck Redaktion gebeten, einen Blogartikel über Hierarchien in der Apotheke zu schreiben. Ich habe mich bemüht alles anzusprechen:
Auf den ersten Blick ist es ganz leicht, die „Hackordnung“ in einer Apotheke zu überblicken. Da gibt es den Chef oder die Chefin ganz oben, dann kommen die angestellten Apotheker, die PTA und zum Schluss die PKA, die kaufmännischen Angestellten. Zwischen dem Apotheker und der PTA stehen, meist nur noch in den neuen Bundesländern, „Relikte“ aus der ehemaligen DDR: die Pharmazieingenieure (PI). Diese Berufsgruppe hat eine Erlaubnis, um die sie mindestens jede zweite PTA heiß beneidet: die Vertretungsbefugnis. Bis zu vier Wochen im Jahr dürfen die PI die Apotheke auch ohne Apotheker leiten.
Da diese Exoten allerdings durch den Renteneintritt immer weniger werden, kommt auf die ostdeutschen Apothekenleiter über kurz oder lang ein Problem zu. Denn PTA so weit fortzubilden, dass sie die Stelle der PI übernehmen könnten – nein! Das würde ja bedeuten, die alten Hierarchien durcheinander zu bringen. Deren einfache Strukturen sind einerseits sehr praktisch, denn sie stellen gleich klar, auf welchem „Platz“ man sich befindet. Andererseits können sie auch extrem frustrierend sein, denn sowohl PTA als auch PKA sind auf immer in ihrer Kaste festgelegt, auch durch noch so viele Fortbildungen haben sie niemals die Möglichkeit aufzusteigen. Das Wissen darum, dass die „Untergebenen“ einen niemals vom eigenen Platz verdrängen können, sorgt leider des Öfteren dafür, dass nach unten getreten wird.
Ist die Putzfrau krank oder im Urlaub, wer übernimmt dann in den meisten Fällen ihren Job inklusive Toilettenputzen oder Schneeschieben? Ganz selbstverständlich die rangniedrigste PKA oder PTA. In manchen Apotheken geht dieses Geschacher um die niederen Arbeiten sogar so weit, dass sich die angestellte Apothekerin weigert ans Telefon zu gehen, wenn es klingelt, weil sie „dafür nicht studiert“ hat. Ein weiteres typisches Beispiel aus diesem Bereich. Ist der Chef einmal im Urlaub und die junge Apothekerin frisch aus dem Studium übernimmt das Zepter, zeigt sich das wahre Gesicht der studierten Pharmazeutin. Eine altgediente PTA, die nicht genannt werden möchte, berichtete mir, dass sie in diesem Falle kurz davor war, zu kündigen. Plötzlich war Kaffee kochen die ausschließliche Aufgabe der PTA, Rezepte mussten der jungen Dame vor Abgabe an den Kunden vorgelegt werden, und die Frage nach einem freien Tag wurde erst positiv beschieden, als sie als Bitte vorgetragen wurde. Es genügte nicht zu fragen „Könnte ich am Freitag einen Tag Urlaub nehmen?“, sondern der korrekte Fragesatz sollte lauten: „Würdest Du mir bitte am Freitag einen Tag Urlaub genehmigen.“
Dass man sich da als PTA degradiert und gedemütigt vorkommt, ist verständlich. Sätze wie „Das verstehst du nicht, du hast ja nicht studiert“ sind abwertend und verletzend. Auch liest man hin und wieder Kommentare von Apothekern, die behaupten, dass falsch oder nicht umfassend beratene Pseudo- Customer sicherlich alle von PTA bedient worden seien, und nicht von studierten Pharmazeuten. Aber wieso sollten die Apotheker das auch anders sehen?
Die Apothekerverbände haben ihnen diese Vorurteile bei verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen immer wieder bestätigt. Beispielsweise bei einer Fortbildung zum Thema Reisemedizin, an der ich selbst teilgenommen habe. Dort wurde die Zuhörerschaft nach etwa zwei Stunden in PTA und Apotheker aufgeteilt und in verschiedene Zimmer geschickt. Die Studierten erfuhren mehr über die Wechselwirkungen der üblichen freiverkäuflichen Reisemedikamente und bekamen zusätzliche Informationen zur Einnahme derselben, während mit den PTA lediglich ein Verkaufstraining stattfand à la: Wie lächle ich den Kunden freundlich an? In welche Hand nehme ich das Produkt, das ich verkaufen möchte? Wie formuliere ich einen Zusatzverkauf?
In manchen Apotheken müssen PTA zum Teil nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit immer noch jedes Rezept vor der Abgabe zum Abnicken einem Apotheker vorzeigen. Muss man sich da wirklich darüber wundern, wenn manche PTA nicht für voll genommen werden? Meist sind nicht einmal die Chefs diejenigen, die die PTA klein halten, sondern die studierten Kolleginnen, die so ihr eigenes Ego aufpolieren. Aber die PTA verhalten sich ihren PKA-Kolleginnen gegenüber zum Teil nicht besser. Es gibt Apotheken, da sind sich nicht nur die Apotheker zu fein auch einmal zu helfen, die Ware einzusortieren oder mit dem Staubwedel über die Packungen in der Freiwahl zu gehen, sondern auch die PTA brechen sich dabei einen Zacken aus der Krone. Die PKA werden manchmal wie Parias behandelt, weil sie zum nichtpharmazeutischen Personal gehören und keine Rezepte beliefern dürfen. In großen Apotheken zeigt sich daher sogar hier und da eine Gruppenbildung: PKA, PTA und Apotheker bleiben jeweils unter sich und belauern sich richtiggehend untereinander, so dass auch ja niemand irgendwelche Aufgaben übernimmt, die nicht die seinen sind.
Wie ich gehört habe gibt es dort nicht selten auch feste „Rangfolgen“, wer wann nach vorne zu gehen hat und wer im Wechsel mit wem zu welchem Zeitpunkt im Labor stehen muss. Es wird mit Argusaugen darüber gewacht, wer wann und wie lange gesessen und etwas gegessen oder getrunken hat. Solche Zustände habe ich persönlich zum Glück noch nie erlebt, was aber auch daran liegen kann, dass ich immer in relativ kleinen Apotheken gearbeitet habe. Dort ist jeder auf die Mithilfe der anderen angewiesen, und wenn die einzige PKA in den Urlaub fährt, dann muss eben auch einmal eine PTA oder ein Apotheker ran und deren Aufgabe übernehmen. Das funktioniert immer dann am besten, wenn man auch sonst Hand in Hand zusammen arbeitet, und somit die Abläufe kennt.
Dazu ist es nötig auch einmal über den eigenen Tellerrand zu sehen und mit wachen Augen aufzunehmen, was die Kollegen leisten. Dann wird auch die PTA sehen, dass der Job der PKA anspruchsvoll ist und mehr bedeutet als nur Regale putzen und bestücken. Und auch der Apotheker sieht dann eventuell in einer altgedienten und erfahrenen PTA, die sich wünscht einmal mehr Verantwortung übernehmen zu dürfen, eine Chance – und keine Bedrohung.
…und genau deshalb hab ich meine Ausbildung zur Apithekenhelferin (ich Dinosaurier, ich) nicht beendet, sondern eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau drangehängt!
Musste bzw durfte ich in der Berufsschule Teedrogen und deren Inhaltsstoffe, Anwendungsgebiete lernen oder Arzneimittelgruppen etc, hieß es in meiner Lehrapotheke – meist von der Pharmaziepraktikantin (die mit dem 1. Staatsexamen, auch vertretungsberechtigt) – immer, wenn ich _irgendwas_ fragte: das musst Du für die Prüfung nicht wissen. Schade – hätte ja sein können, dass ich die PTA oder ein Pharmaziestudium hintendran gehängt hätte… aber so weit hat die Dame nicht gedacht. Die war nur g..l auf Rangordnung – genau wie Du das beschreibst…
So hat man mir einen eigentlich schönen Beruf gründlich vermiest…
Liebe Grüße, Chris
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Wenn ich das so lese, bin ich froh, dass ich von Anfang an Richtung „Laborratte“ marschiert bin…okay wahrscheinlich wäre ich mit 3 Jahren Chemiestudium und einer Werkzeugmacherausbildung (Geselle) eh bei einigen Leuten tierisch angeeckt und Sätze wie „Das verstehst du nicht, du hast ja nicht studiert“ könnten bei mir zumindest eine „sehr exotherme Reaktion“ auslösen, obwohl ich eh mehr der Praktiker mit Heimlabor bin vgl. http://illumina-chemie.de/bis(25-di-t-butylphenyl)-34910-perylenbis(dicarboximid)-t3647.html bin. Gezeigte Synthese ist ein Farbstoff für die Oxalatesterreaktion die bei den Knicklichtern eingesetzt wird.
Praktikum war bei mit in der Krankenhausapotheke und danach bin ich in der Pathologie (Onkologie) im Helmholtz-Institut München gelandet, wo mir das Molekularbiologische beigebracht wurde….nach einem Zwischenstopp in einem MPI gings nach Honolulu an die Uni für Peptidsynthese und Neuroscience (Fear conditioning) und nun seit 2010 an einer Uni in der Schweiz.
bombjack
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