Wir sind kein Club der Absegner. Wer uns um Rat fragen will – immer gerne. Nur muss er/sie dann auch mit der Antwort leben.
Was war passiert? Heute kam eine Dame vorbei um erst einmal ganz unspektakulär zu fragen, wie genau sie ein Schmerzmittel einnehmen Soll, das ihr der Arzt verordnet hat. Es handelte sich um ein stark wirksames betäubungsmittelpflichtiges Arzneimittel das man alle 12 Stunden einnehmen sollte. Diese Auskunft gefiel ihr nun nicht besonders gut. Sie erwiderte, dass man doch bestimmt auch schon nach sechs Stunden die nächste Tablette nehmen könne.
Nein. Kann man eben nicht.
Aber bei Google steht, dass das manche Leute tun.
Mag sein, aber erst nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.
Ich rede doch jetzt aber mit ihnen. Sie können das doch erlauben.
Nein. Wir blieben alle bei der Auffassung dass sie die Tabletten alle 12 Stunden nehmen sollte. Alle von uns. Ja – auch die Frau Apothekerin sagt das. Ja – auch der Chef sagt das.
Die Dame ist beleidigt, weil sie sich erhofft hat, dass wir die Dosiserhöhung „absegnen“ damit sie einen Sündenbock hat falls irgendetwas schief geht. Ich verstehe das nicht.
Wenn mein Mechaniker sagt, dass mein Auto nach 120.000 km einen neuen Zahnriemen braucht fange ich doch auch nicht an zu diskutieren ob ich nicht vielleicht erst nach 200.000km wechsle. Selbst wenn er „ja“ sagen würde – mein Auto ersetzt er nicht wenn mir das Getriebe um die Ohren fliegt.
Ebenso wenig können wir der Dame ihre Gesundheit ersetzen wenn sie sich diese ruiniert…
Da würde ich die Dame fragen warum sie denn nach 6 h schon eine neue Tablette einnehmen möchte….
Btw. das Zahnriemen-Beispiel passt nur zum Teil, da
a) Schmerzen für jeden sehr individuell sind d.h. jeder nimmt sie anders wahr, hat eine andere „Reizschwelle“ usw.
b) jeder unterschiedlich auf Schmerzmittel reagiert und wenn es in Richtung Opioide geht, dann trifft diese Aussage* noch mehr zu d.h. die Dosis ist da recht individuell.
Disclaimer: Ich weiß nicht ob sich das in Deutschland inzwischen gebessert hat…aber gerade Deutschland war/ist in Bezug auf Schmerzbehandlung ziemlich rückständig (gewesen), daher „kotzen“ mich so Zeitangaben wie alle 12 h u.a. wegen obigen Gründen an, auch wenn sie u.U. erstmal von der Erfahrung oder auch von der galenischen Seite her legitim sein können.
Schmerz oder besser die Wahrnehmung von Schmerz richtet sich nicht nach Zeitvorgaben, daher auch die „Warum-Frage“ in Richtung der Dame….und Schmerzbehandlung ist immer sehr individuell bzw. sollte individuell sein.
Okay….das muss/sollte sie mit dem Doktore abklären und nicht mit Euch in der Apotheke….
Eventuell hätte bei der Dame dann u.U. die Auskunft geholfen, dass die Tabletten als Retardpräparat vorliegen und wenn da die Einnahmezeit verkürzt wird, das eine massive Dosissteigerung darstellt und damit Nebenwirkungen u.U. auch heftiger werden…d.h. das wäre ein galenischer Grund und damit wahrscheinlich leichter zu schlucken für die Dame.
bombjack
*= z.B. zeigt bei mir Tramadol so gut wie keine Wirkung….
PS: Welcher Wirkstoff war es denn? Wenn möglich…..
LikeLike
Mir scheint es, dass die Leute immer weniger bereit sind, Schmerzen einfach mal auszuhalten. Sie gehören zum Leben dazu und ich halte sie sogar für wichtig. Denn wenn mein Körper mir sagt, dass ich jetzt Ruhe brauche und dieses oder jenes nicht tun sollte, dann finde ich es riskant, das zu ignorieren. Unterdrücke ich die Schmerzen, kann es aber genau dazu kommen.
Das ist auch kein Eso-Geschwurbel, ich hatte schon mehrfach Schmerzen am oberen Ende der Skala. Dennoch war ich mit den Schmerzmitteln sehr vorsichtig, vom BTM habe nur wenig genommen.
LikeLike
Ich weiß nicht, ob ich das so unterschreiben kann. Ich finde eher, daß es sehr individuell ist. Manche kommen mit dem Kopf unterm Arm und finden ein IBU 400 reicht doch, andere wollen immer gleich die Hämmer, obwohl es nur ein verstauchter Knöchel ist.
Schmerz aushalten, ist – vor allem, wenn es sich um chronische Schmerzen handelt – nicht immer sinnvoll. Wenn erst einmal das Schmerzgedächnis da ist, wird es viel schwieriger, den chronischen Schmerz zu behandeln.
LikeLike
Starke Schmerzen unnötigerweise auszuhalten ist blödsinn. Das Schmerzgedächtniss verstärkt sich und die C-Fasern werden immer aktiver und leitfähiger und schon chronifiziert sich der Schmerz.
In der Klinik gehen wir nach folgendem Schema vor: Wenn ein Patient noch Schmerzen hat, dann bekommt er auch noch weitere Schmerzmittel (mit einer PCA lassen sich Opioide oft sogar einsparen da man keine so hohe Basalrate braucht).
Ein Patient der noch unter Schmerzen leidet bekommt auch keine Atemdepression oder wird abhängig da Schmerzen so etwas wie ein natürlicher Opioidantagonist ist.
LikeLike
Also ich glaub es gibt auch genügend Menschen, die mit ihrem Mechaniker über das Ölwechselintervall diskutieren,
und das „Erlaubnis-einholen“ ist für manche Menschen vordergründig auch nicht die Vorbereitung auf eine spätere Regressklage (auch wenn die wahrscheinlich kommen würde) – sondern tatsächlich erst einmal des Bedürfnis nach Erlaubnis.
Dass das Vorhaben zwecklos ist, und die bedarfsgerechte Einstellung dem Arzt obliegt, ist klar..
(und da die Bedürfnisse von Patienten und die Großzügigkeit mit BtM von Ärzten sehr individuell ist, kann es manchen Patient seinem Ziel näherbringen, sich einen für ihn angenehmen Arzt zu suchen..)
LikeLike
Klingt für mich eher nach Suchtproblematik.
LikeLike
Hm,ein BTM. Da hättest du doch problemlos die Erlaubnis geben können – zusammen mit einem Testamentsvordruck und einer Adresse eines guten Bestatters 🙂
LikeGefällt 1 Person