Armutszeugnis

So nannte meine Kollegin Birgit heute zwei Tatsachen im Bereich Arzneimittelwarnung. Einmal – der ein – oder andere wird es mitbekommen haben – gab es heute ein Riesenspektakel. Morgens meldeten sich bereits die ersten Patienten bei uns, die über die Medien erfahren hatten, dass valsartanhaltige Arzneimittel EU- weit aus dem Verkehr genommen werden. Eine Fabrik in China stellt diesen Wirkstoff für verschiedene Hersteller her, die daraus blutdrucksenkende Medikamente fabrizieren.

Nun ist dieser Wirkstoff wohl in dieser Firma mit einem potenziell krebserregenden Stoff verunreinigt worden. Und keiner hat es gemerkt. Wenn ich überlege wie wir Apotheken alle Ausgangsstoffe genau prüfen müssen bevor wir sie weiterverarbeiten hätte ich gedacht (aber was weiß ich schon?), dass die Industrie da noch genauer hinschaut als wir. Bevor sie hunderttausende Tabletten verpresst die in einem Skandal zurückgerufen werden müssen. Ein Armutszeugnis.

Nun denn… es wurde im Vorfeld nichts gemerkt, also gibt es JETZT den Rückruf vom BfArm. Aber statt den Apotheken und damit den betroffenen Patienten wenigstens mitzuteilen, welche Firmen betroffen sind (wenn man schon die genauen Chargen nicht kennt) – nichts. In den Zulassungsunterlagen der Medikamente die dem BfArm ja vorliegen müssen stehen doch die Herstellerfirmen drin. Da sollte es ein leichtes sein, schnell alle betroffenen Firmen herauszusuchen, aber NEIN- das weiß man offenbar erst gegen Nachmittag. Armutszeugnis Nr.2

Und über welchen „offiziellen Kanal“ erfahren die Apotheken zeitnah welche Firmen betroffen sein könnten und welche anderswo ihren Wirkstoff beziehen? Doch sicher über das AMK! Aber nein – wieder falsch gedacht, denn die Seite ist down weil sie offenbar mit der schieren Menge an Klicks und Anfragen überlastet ist. Hat man Nerven??? Dafür ist sie doch eigentlich konzipiert worden!

Wir mussten uns tatsächlich bei der apotheke-adhocPlattform über die neuesten Entwicklungen informieren. Armutszeugnis Nr.3

Das war heute echt kein Glanztag… ich verstehe so vieles einfach nicht, was da schief gelaufen ist. Vor allem verstehe ich nicht, warum ein Riesenhype über die Laienpresse gemacht wird, so lange wir nicht einmal wissen um welche Chargen es sich genau handelt. Und wie sollen wir da die Kunden adäquat beraten?

„Nein Frau Mauer, sie sollten die Tabletten lieber weiter einnehmen. Ob sie verseucht sind wissen wir nicht, auch nicht ob das vielleicht Krebs erzeugen kann, aber schlucken Sie die ruhig weiter. Die sind wahrscheinlich gut für ihre Gesundheit.“

Lächerlich. Peinlich. Unnötig.

Über ptachen

PTA mit Leib und Seele.
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7 Antworten zu Armutszeugnis

  1. aponettesplauderei schreibt:

    Amen, Schwester! Vollste Zustimmung meinerseits.

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  2. bombjack schreibt:

    Als jemand der aus der organischen Syntheseecke kommt:
    a) Du findest nur das wonach Du auch suchst…
    b) und bei Synthesen kann es durchaus auch Überraschungen geben…z.B. MPTP was siehe diesen Link https://de.wikipedia.org/wiki/MPTP u.U. bei falscher Prozessführung bei der Synthese von MPPP https://de.wikipedia.org/wiki/MPPP entsteht….oder siehe 1989 die Sache mit dem Tryptophan https://de.wikipedia.org/wiki/Tryptophan#Tryptophan-Skandal_1989
    Auf gut deutsch…wenn bei Dir einer Deiner Ausgangsstoffe mit einer Substanz kontaminiert ist, auf die Du nicht prüfst, dann wirst Du es auch nicht merken….sofern die Verunreinigung nicht durch spezielle Eigenschaften (Geruch, Aussehen oder z.B. Kategorie Schwermetalle) auffällt oder die Methode spezifisch auf Substanzen („Fingerabdruck“ = Infrarotspektroskopie??, wobei ich mich frage ob man da Verunreinigungen im Spektrum erkennt) ist (sollte man daher immer im Hinterkopf bei analytischer Tätigkeit haben).
    Die haben wahrscheinlich ihr Produkt geprüft, aber eben nicht auf Dimethylnitrosamin…
    Sucht man ein wenig im Netz stößt man auf das:
    http://www.chemdiv.com/europe-recalls-generic-heart-drug-made-china-cancer-fears/
    http://www.pharmtech.com/ema-reviews-product-china-facility
    und dort ließt man „According to EMA, the presence of the NDMA, which is a probable human carcinogen, is thought to be related to a change in manufacturing processes. “ (aus dem letzten Link)….d.h. die haben am Syntheseweg rumgespielt und dabei ist als Verunreinigung anscheinend das Dimethylnitrosamin entstanden, wobei sich die Frage stellt, wäre das erkennbar gewesen….oder ist der Effekt neu, da es von einer Laborsynthese zur Mittelsynthese und später zur Großsynthese durchaus auch zu ungewollten Effekten kommen kann….
    Ändert allerdings nichts daran das die Informationspolitik da ziemlich zu wünschen übrig lässt….
    Bin mal gespannt wann das hier in CH aufschlägt und da ich auch Co-Valsartan 160/12.5 mg von Sandoz nehme….dürfte ich wahrscheinlich auch zu den Betroffenen gehören….
    bombjack

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    • Delilah schreibt:

      Wobei mich gerade das „Am Syntheseweg rumgespielt“ stört…Denn eine Änderung im Herstellprozess der Ausgangssubstanz ist meldepflichtig bei der Behörde und -je nach Schwere der Änderung, genehmigungspflichtig. Bei der Unterlagenmenge, die da vorgelegt werden muss, sind auch detaillierte Gedanken zu Verunreinigungen dabei.

      Demanch kann es sein, dass die Synthese-Änderung nicht gemeldet wurde.
      Mittlerweile werden die chinesischen Hersteller auch gut von den GMP-Behörden überwacht, aber schwarze Schafe gibt es leider immer wieder. Ärgerlich, wenn das auch nicht beim Firmen-Audit auffällt. Da hat das System wohl versagt.

      Aber ja, wenn der Zulieferer was an der Synthese dreht und niemandem was sagt und das keine der erwartbaren Verunreinigungen ist, hat die Firma, die die Tablette etc herstellt, keine Chance die Verunreinigung zu finden, außer die würde irgendeinen anderen Parameter aus der Spezifikation raushauen (galenisch oder durch Beeinflussung eines analysierten Parameters).

      Das, meine Freunde, ist jetzt das Ergebnis der „Geiz ist geil!“-Mentalität.

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      • bombjack schreibt:

        Kann aber auch sein, dass sie das gar nicht auf dem Schirm hatten bzw. siehe den neuen Post vom PTAchen https://apothekentheater.wordpress.com/2018/07/10/die-synthese/ die Verunreinigung gar nicht so einfach zu detektieren ist.
        Zudem stelle ich mir die Frage…wie viele Leute schauen über so einen Syntheseweg drüber, besonders wenn das Betriebsgeheimnis ist?

        Ach ja…bin hier in CH auch betroffen, darf am Freitag eine Packung umtauschen lassen…

        Meine persönliche Einschätzung:
        Da ich
        a) Raucher
        b) Liebhaber von richtig gegrilltem Fleisch und
        c) Pfadfinder (der es liebt am offenen Feuer in einer Jurte zu sitzen)
        bin…nehme ich das ohne große Sorgen hin…da hab ich Risikofaktoren die dieses Risiko wahrscheinlich um einiges übersteigen…..

        bombjack

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  3. gedankenknick schreibt:

    Morgens meldeten sich bereits die ersten Patienten bei uns, die über die Medien erfahren hatten, …
    So läuft es doch in den letzten Jahren immer… Beispiele?

    Gefälschte indische Bioäuiquivalenz-Studien-Präparate.
    Das „Anapen“-Problem.
    Das Heparin-China-Problem.

    Aber dank Securpharm und kalibrierten Thermometern in der Apotheke werden wir diese Probleme in Zukunft nicht mehr haben, denn Herr Dr. Hermann wird Rabattverträge in Zukunft nur noch so abschließen, dass nur noch die allerbilligsten Qualitätshersteller einen Zuschlag der Kassen bekommen… *facepalm*

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  4. Sarah Pta schreibt:

    Bei uns hat die Kammer wenigstens gefaxt, weil der Amk Server nicht wollte. 🙂

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  5. Pingback: Ich werde noch wahnsinnig… Valsartan Klappe die zweite | apothekentheater

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