Der Igel der den Tod bringt

Kürzlich kam wieder einmal ein Kunde zu uns, der Spritzen oder Pipetten haben wollte um einen Igel mit Katzenmilch aufzupäppeln. Das hat er natürlich im Internet gelesen. Als ich ihm den Tipp gab den Igel auf Flöhe zu untersuchen bevor er ihn in der gemütlichen Schlafkiste ins Wohnzimmer stellt war er erschrocken. „Sowas können die haben?“ Oh ja, das können sie. Und Igel haben noch so einige andere unappetitliche Mitbewohner, darunter Lungenwürmer, Milben und Zecken. Was ich aber erst nach ein wenig Recherche herausfand und noch viel übler fand – sie beherbergen unter ihrem Stachelkleid auch Chlamydien, Salmonellen, MRSA und Corynebacterium ulcerans, einen engen Verwandten der Diphterie.

Sie sind so putzig anzuschauen die dicken, kurzbeinigen, knopfäugigen, blanknasigen Schneckenfresser über die sich jeder normale Gartenbesitzer freut. Auch ich habe in der Vergangenheit Igel mit der bloßen Hand von der Straße geholt und zu sichereren Orten getragen. Und bis zur letzten Woche hätte ich das auch weiterhin getan. Heute würde ich diese Tiere noch immer in Sicherheit bringen, aber mit Handschuhen. Und mein kleiner Sohn dürfte ganz sicher keinen davon knutschen weil er ihn so toll findet, ich wäre da absolut für einen Sicherheitsabstand mit anschließendem gründlichen Händewaschen.

Auf meiner schnellen Suche für unseren Kunden den ich ja schon mit den vergleichsweise harmlosen Flöhen erschreckt hatte stieß ich im Netz auf eine Studie aus dem letzten Jahr (Braune S, Reuschel M, Prüfer TL, Moss A, Ulrich RG, Runge M (2018): Nachweis von Zoonoseerregern beim Igel (Erinaceus europaeus). DVG Fachgruppe „Bakteriologie und Mykologie“, 29.05.–01.06.2018, Hannover) die folgende potentiell auf den Menschen übertragbare Erreger auf 95 Igeln fand, die in und um Hannover unterwegs waren: Salmonellen, Leptospiren, Listerien, Chlamydien und MRSA. Weitere Quellen sprechen auch von verschiedenen anderen übertragbaren Viren, Pilzen und Parasiten.

Jeder Erreger für sich kann bei einer durchaus im Hautkontakt möglichen Übertragung auf den Menschen sehr unangenehm bis gefährlich sein. Corynebacterium ulcerans ist allerdings in der Lage beim Menschen diphterieartige Symptome speziell der Haut und des respiratorischen Systems hervorzurufen. Das Robert-Koch-Institut beschreibt den Verlauf einer respiratorischen Infektion folgendermaßen:

Die klassische respiratorische Diphtherie der Tonsillopharyngeal-Region (Tonsillen-/Rachendiphtherie) beginnt meist allmählich mit Halsschmerzen, Temperaturen bis zu 39 °C und Schluckbeschwerden. Später kommt es zu Heiserkeit, Stridor, Gaumensegellähmungen und Schwellungen der vorderen Halslymphknoten. Es entsteht klassischerweise innerhalb von 2-3 Tagen eine Tonsillitis/Pharyngitis mit grau-weißen oder bräunlichen Pseudomembranen, die oft die Tonsillen überschreiten und sich auf Gaumen und Uvula, unter Umständen auch bis zum Kehlkopf, ausbreiten können. Die Beläge sind meist blutig tingiert und haften fest. Bei dem Versuch, die Membranen zu entfernen, kommt es häufig zu Blutungen. Als charakteristisch wird ein süßlicher Foetor ex ore beschrieben.(…) Die Letalität der respiratorischen Diphtherie liegt bei 5-10%. Bei Kindern <5 Jahren und Erwachsenen >40 Jahren kann sie 20-40% betragen. Die Letalität der respiratorischen Diphtherie liegt bei 5-10%. Bei Kindern <5 Jahren und Erwachsenen >40 Jahren kann sie 20-40% betragen.

Die Hautdiphterie äußert sich vor allem in Läsionen mit schmierigen Belägen. Man kann aber über diese Infektionsherde sich selbst und andere mit der respiratorischen Form anstecken.

Dass diese Erkrankung von Tieren auf den Menschen übertragbar ist, ist unstrittig und bereits häufig vorgekommen. Eine spezifische Vakzine dagegen gibt es noch nicht, die Impfung gegen Diphtherie ist jedoch zur Vorbeugung besser als nichts. Sie kann wohl die Symptome abmildern. Bei einer sicheren Exposition wird präventiv antibiotisch behandelt. Ansteckend ist aber nicht nur der Igel, auch (Wild)-schweine, Rinder, Hunde und Katzen oder über unpasteurisierte Milch kann die Verwandte der Diphterie übertragen werden. Die Inkubationszeit nach Tröpfcheninfektion oder Hautkontakt zu einer Läsion beträgt zwei bis maximal zehn Tage.

Was rate ich nun dem bereits ob der potentiellen Flöhe verschreckten Kunden? Am Besten für alle Beteiligten ist es, wenn sich professionelle Helfer um verletzte Wildtiere kümmern, denn diese haben Erfahrung und wissen, wie den Tiere richtig und sicher geholfen werden kann. Ich drucke dem tierlieben Kunden also die passende Adresse der nächsten Igelhilfe aus und erwähne, dass das Tier nur mit Handschuhen angefasst werden soll und Kinder besser Abstand halten sollten. Sicher ist sicher…

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PTA mit Leib und Seele.
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2 Antworten zu Der Igel der den Tod bringt

  1. ednong schreibt:

    Fein, dass es dir wieder besser geht.
    Oho, ist ja übel was Igel in Hannover so mit sich rumtragen. Da werd ich mal einen Ausdruck für meine Eltern machen.

    Vielen Dank für die Info.

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