Suizidprävention – ein Thema für die Apotheke?

Es ist keine neue Erkenntnis, dass verschiedene Erkrankungen – besonders diejenigen bei denen der/die Betroffene unter körperlichen Schmerzen leidet – das Suizidrisiko erhöhen können. Auch dass man verschiedene Anhaltspunkte feststellen kann, die selbst Außenstehenden ein mögliches Suizidrisiko bei der betroffenen Person anzeigen kann ist bekannt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention sind das:


• Frühere Suizidversuche
• Stark belastende Lebensereignisse (z.B. Trennungen, Umzüge, Jobverlust, aber auch Flucht)
• Psychische Erkrankungen (z.B. Depressionen, Suchterkrankungen, Schizophrenien u.a.)
• Körperliche Erkrankungen (besonders mit chronische Schmerzen)
• Suizide in der Familiengeschichte
• Wenige oder keine sozialen Kontakte bzw. Bindungen
• Höheres Lebensalter
• Männliches Geschlecht


Einige dieser Warnzeichen lassen sich auch im Umgang mit den (Stamm-) kunden in der Apotheke beobachten. Was kann man aber tun, wenn man diese oder ähnliche Risikofaktoren bei einem Kunden wahrnimmt? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten zu reagieren, die aber allesamt nicht einfach sind.
“Einfach” ansprechen? Die mögliche Gefahr irgendwie weiterleiten? Aber wenn ja an wen, und in wieweit bekomme ich dann Probleme mit der Verschwiegenheit, der wir ja alle verpflichtet sind?

Hierzu hatte die DAZ einen Artikel, den ich gelesen habe, der bei mir aber ein größeres Unbehagen hinterließ.
Ich kann mir nicht vorstellen, selbst einem Kunden den ich seit vielen Jahren kenne zu fragen:


• Hatten Sie in letzter Zeit mal das Gefühl, dass Sie nicht mehr weiterleben möchten?
• Haben Sie in letzter Zeit mal daran gedacht, Ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen?
• Haben Sie Vorstellungen oder Pläne darüber, wie oder wann Sie sich das Leben nehmen würden?
• Haben Sie schon irgendwelche Vorbereitungen getroffen, etwa einen Abschiedsbrief geschrieben oder Suizidmittel besorgt?


Dafür ist man in der Apotheke auch nicht “intim” genug. Auch der Rat „Begleiten Sie den Suizidalen in die nächste Einrichtung oder rufen Sie den Rettungswagen oder die Polizei.“ aus dem Suizidpräventions-Leitfaden für die Apotheke erscheint mir im Zusammenhang mit der Apotheke irgendwie unangebracht.


Klar, wenn jemand Unmengen von Arzneimitteln verordnet bekäme, mit denen er sich umbringen könnte (wobei hier je nach Arzneimittel die Einnahme einer einzelnen kompletten Packung unter Umständen bereits ausreicht), dann würden die Alarmglocken klingeln, aber mir erscheint der Anruf beim Hausarzt der diese Medikamente verordnet hat irgendwie gangbarer. Dieser hat auch vermutlich mehr Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation, und würde nicht mit plötzlichen “plumpen” Fragen um die Ecke kommen.


Als angebrachter empfinde ich daher den Artikel der Pharmazeutischen Zeitung, der zwar nicht mit einem “Kochrezept” um die Ecke kommt, aber der darauf hinweist, dass wir in den Apotheken auf diesem Gebiet mehr tun könnten, und eine fundierte Weiterbildung in diesem Bereich benötigen.

So verlockend die Situation ist, eine solche Situation mittels einiger gezielter Fragen innerhalb von relativ kurzer Zeit zu überblicken und lösen zu können: das ist in meinen Augen utopisch. Wir brauchen auf diesem Gebiet einfach mehr Wissen an der Hand als wir derzeit haben. Suizidprävention ist nichts, was in einem Artikel abgedeckt, und nichts, was sich in längstens 5-10 Minuten (so viel Zeit haben wir etwa pro Kunden) im HV besprochen werden kann. Ich warte also auf die “Fach PTA Suizidprävention”. Nein, natürlich nicht 😊


Was ich allerdings sowohl beim ABDA- Leitfaden als auch bei den Artikeln vermisse ist, dass man gerade beim Eintauchen in eine solche Ausnahmesituation gut auf sich selbst und die eigenen Grenzen achten muss. Psychologen, Psychotherapeuten und Sozialpädagogen haben hierfür während ihres Studiums einiges an die Hand bekommen, das ihnen hilft sich auch selbst abzugrenzen, und egal was später mit diesem Menschen passiert nicht als das eigene “Versagen” oder den eigenen “Verdienst” zu erleben. Das haben wir nicht, und eine solche Situation kann für unausgebildete Menschen mit Sicherheit überfordernd sein. Auch hierfür müssten wir geschult werden, bevor wir anfangen, als Hilfs-Psychologen aufzutreten.

Über ptachen

PTA mit Leib und Seele.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Suizidprävention – ein Thema für die Apotheke?

  1. TFH schreibt:

    Hallöchen,
    ja – ein schwieriges Thema – auch in den Kreisen von Psychologen, Therapeuten etc..
    und der Schlussatz gilt glaub ich, ob nun gezielt Suizidprävention betrieben wird, oder nicht. Wenn man von einem Kunden erfährt, dass er, vielleicht gar nicht so lange nach dem man ihn gesehen hat, diesen Schritt gegangen ist – denke ich macht das halt schon was mit einem.. ob jetzt mit oder ohne Vorbereitung im Studium..
    –> Letztlich wäre das aber schonmal ein wichtiger Punkt, weil in einer Apotheke ist man ggf noch viel mehr dem Risiko ausgesetzt, derartiges zu erleben, weil da eben so die gesamte Bandbreite an Personen mit erhöhtem Risiko vorbeischaut – ob nun therapeutisch begleitet, oder nicht.

    Der DAZ-Artikel ist wirklich nicht sonderlich hilfreich – und als „Kochrezept“ würde ich die Fragen auch nicht verstehen.. das sind mehr so Eckpunkte im Therapeutischen Gespräch.
    Sicherlich nicht unbedingt eine Anleitung für Gespräch in der Apotheke..
    …da die Ohren offenzuhalten, wenn eben Andeutungen kommen, die ja auch nicht unbedingt leicht auszuhalten sind, wäre vielleicht schon hilfreich – für beide Seiten..

    Also ja – der zweite Artikel ist da hilfreicher – und grundlegend wäre da eine Fortbildung in der Breite wohl eher wichtig, insbesondere eben auch, was den Punkt der Bewältigung einer solchen Situation angeht..
    Denn da ist eben die wichtigste Vorbereitung die – dass man da drüber dann auch reden kann, und sich ggf eben Hilfe holt, und nicht vielleicht verschämt verschweigt, dass man ggf eine Ankündigung nicht ernst genommen hat, oder ein Anzeichen eben erst hinterher erkannt.
    Denn der Artikel zeigt ja eben auf: die Menschen kommen in die Apotheken, und reden ggf von sich aus darüber, ob ihr wollt oder nicht..

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..