Der rote Schrei


In den Apotheken Deutschlands wird es ab dem 22. April rot. Aber nicht etwa, weil dort die Liebe zur Farbe Rot neu entfacht wurde, sondern im Rahmen der ABDA-Aktion „Wir sehen rot.“ – ein verzweifelter Versuch, auf die wirtschaftlichen Nöte der ApothekeninhaberInnen aufmerksam zu machen.

Die Apothekenteams sollen in roter Kleidung das Leid der Branche symbolisieren, begleitet von Plakaten, Aufklebern und Handzetteln, die über QR-Codes zu Online-Umfragen führen. Die Idee klingt zunächst solidarisch und mobilisierend, doch wirft man einen Blick in die sozialen Medien, wird schnell klar: Die Stimmung unter den Apothekenmitarbeitern ist alles andere als rot glühend vor Begeisterung.

Trotz des ernsten Hintergrunds mutet die neue ABDA- Aktion eher wie eine Verzweiflungstat an, ein letztes Aufbäumen in einer Reihe von zunehmend wirkungslosen Protesten. Man könnte fast meinen, die ABDA hätte sich hier von einem schlecht beratenen Marketing-Team inspirieren lassen, das noch in den 90ern festhängt. Wo bleiben die Zeiten, in denen Protest noch echte Veränderung herbeiführte? Stattdessen: rote Shirts und Aufkleber, die wohl kaum die Sparpolitik der Regierung beeindrucken werden.

Der Sarkasmus und die Resignation, die aus den Kommentaren der ApothekerInnen in den sozialen Netzwerken sprechen, zeugen von einer tiefen Frustration. Da wird vorgeschlagen, man solle statt roter Kleidung lieber Arbeitsplätze mit Flatterband absperren oder symbolisch den Betrieb einstellen. Oder noch besser, sich auf Traktoren vor die Apotheken setzen, um wirklich auf die Missstände aufmerksam zu machen. Ein anderer Vorschlag ist, Papp- Apotheken vor dem Bundestag zu verbrennen – sicherlich ein drastisches Bild, das aber die Verzweiflung und den Wunsch nach echtem Gehör unterstreicht.

Was die ABDA hier versucht, ist sicherlich ehrenwert in der Intention, die Apothekenlandschaft vor weiterem Verfall zu schützen. Aber wie so oft scheint die gewählte Form des Protests an den tatsächlichen Bedürfnissen und der Mentalität der Basis vorbeizugehen. Die rote Kleidung wird von vielen als unpassend und wenig aussagekräftig empfunden, und die Kommentare bei Social-Media reichen von Humor und Spott bis zu offenem Unmut über die Ausrichtung und Effektivität der Kampagne.

Es wird deutlich, dass ein Umdenken erforderlich ist. Anstatt auf halbherzige Symbolpolitik zu setzen, die mehr nach einer Image-Kampagne als nach einem echten Hilferuf aussieht, wäre es vielleicht an der Zeit, radikalere Maßnahmen zu erwägen. Die Apotheker fordern nicht weniger als echte, substantielle Unterstützung und politische Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Druck mindern und die Zukunft der lokalen Apotheken sichern.

Schlussendlich ist „Wir sehen rot“ vielleicht ein passendes Motto, denn es spiegelt nicht nur die wirtschaftliche Notlage der Apotheker wider, sondern auch ihre wachsende Wut und Enttäuschung über eine Vertretung, die in ihren Augen zu zahm agiert. Die Zeit für sanfte Proteste scheint vorbei – es braucht nun eine klare, unmissverständliche Sprache und Handlungen, die den Entscheidungsträgern wirklich ins Auge stechen. Es ist Zeit, dass die ABDA und die Apotheker zusammenfinden und eine Strategie entwickeln, die mehr ist als nur ein Farbenspiel.

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So richtig die Schnauze voll

Gerade habe ich einen Facebook-Post eines Apothekers aus dem Nachtdienst gelesen, den ich so verdammt gut nachvollziehen kann, obwohl ich eigentlich wirklich gerne arbeite. Vielleicht auch gerade weil ich so gerne arbeite. Ich musste den Post jetzt einfach mal im O-Ton teilen:

Ich hab so die Schnauze voll:

Eben im Notdienst auf der Treppe gestürzt, wegen Übermüdung. Weil zum xten-Mal jemand völlig sinnlosen Mist kaufen wollte, der problemlos noch bis zum Morgen Zeit gehabt hätte. Nur durch Glück keine schwere Verletzung, nur Schrammen und – dank Noweda gut bevorratet 😉- Eispack auf Knie und Schädel.

Wir schlagen uns die Wochenenden und Nächte im im Dienst für eine zum großen Teil undankbaren Bevölkerung um die Ohren, welche uns und unsere Arbeit überhaupt nicht zu schätzen weiß. Jeder grenzdebile Schulabbrecher glaubt noch in der Nacht das Recht zu haben, uns respektlos anzuquatschen und zu kritisieren, provokant nach „Apothekenpreisen“ und „Internet-Apotheken“. zu fragen. Und mir ist gesetzlich verboten, so jemandem einfach die Abgabe zu verweigern oder freundlich einen Kühlpack mitzugeben, weil ich ihm mal kurz die Fre##e modelieren musste. Glück natürlich, wenn eine plötzliche Lagerfehler die Abgabe verhindert … 😉

Ich hab die Schnauze voll von jungen Krankenhaus-Ärzten, welche mich durch die sinnlose Verordnung von Cefixim (!!!) für einen unkomplizierten Harnwegsinfekt, nachts um 4:00 Uhr zu Erklärungen nötigen. Gott bewahre, dass ich nachts jemals ins Krankenhaus muss! Mag ja theoretisch zugelassen sein, aber trotzdem Quatsch.

Ich hab die Schnauze voll, dass alles im Auftrag einer Politik durchziehen zu müssen, welche alles tut, um uns und unsere Existenzen zu vernichten. Angeführt von einer Horde ideologisch verblendeter und inkompetenter Idioten, welche nicht nur das Gesundheitssystem, sondern das gesamte Land an die Wand fahren. Innen– und außenpolitisch.

Minister, welche ich nicht mal als Botenfahrer anstellen würde, mangels Qualifikation.

Ein Kanzler, der so abgehoben und arrogant ist, dass er unser gesamtes Land existenziell gefährdet und gleichzeitig m.E. keinerlei persönliche Integrität besitzt, weil er sich m.E. mit seinen sprichwörtlichen Gedächtnislücken und Anwaltstricks der Strafverfolgung entzieht.

Generäle, welche anscheinend Alexa darum bitten, sie auf illegale Abhörmaßnahmen aufmerksam zu machen  und anscheinend trotzdem weiter im Amt bleiben.

Ein Gesundheitsminister, welcher – bezogen auf uns – eindeutig psychopathologische Züge hat und gegen den uns niemand beisteht, abgesehen von leeren Worten einiger Provinz-Politiker. Ich könnte nur klatschen, aber nicht in die Hände!

Ich hab die Schnauze voll von diesem ganzen Pack kritisiert und in eine Rechtfertigungsposition gedrängt zu werden.

Ich hab die Schnauze voll von der höflichen und zurückhaltenden Art der ABDA, welche noch immer Angst vor Konflikten hat und nicht begreift, dass wir in einem Land leben, in welchem andere Berufsgruppen mit Straßenblockaden und Erpressung der Reisemöglichkeiten der Bevölkerung pausenlos individuelle Vorteile erpressen. Während Landwirte die Straßen blockieren und Unfälle provozieren, übergeben wir unseren Protest auf einem Stick! Damit kann die teure Kartenaktion ohne großen Aufwand in den Müll geworfen werden. Wir übernehmen sogar die Entsorgungskosten für unseren eigenen Protest. Willkommen in Absurdistan.

Ich hab die Schnauze voll von den „DM – Chefs“, welche uns für ersetzbar erklären, aber offensichtlich keine Ahnung davon haben, wovon sie sprechen. Abgabeautomaten fertigen z.B. weder Millionen Rezepturen an, noch fallen sie nachts für andere Treppen runter. Übrigens auch Treppen in der dunkelsten Provinz und nicht nur in lukrativer 1A-Lage.

Ich hab die Schnauze voll von den Krankenkassen als Gegner, welche uns ständig diffamieren und sich selbst gleichzeitig zweistellige Gehaltszuwächse für die Verwaltung der Leistung von anderen gönnen. Wie krank ist ein System, in dem der Verwalter mehr Lohn bekommt als der Leistungserbringer? Ist das nicht eine gängige Definition von pervers?

Ich hab die Schnauze voll vom organisierten Betrug durch Abrechnungszentren, welche in zwölf Monaten die Verordnungen der heutigen Nacht auf Formfehler durchsuchen, um die Zeche zu prellen. Formal im Recht, weil es auf Apothekerseite solch dämliche Weicheier als Verhandlungsführer gibt, die grottenschlechte Verträge unterschreiben.

Ich hab die Schnauze voll vom E – Rezept, einem gigantischen Jugend Forscht Projekt, aber umgesetzt von allen Verlierern des Wettbewerbs. Instabil, ohne ausreichende Vorbereitung. Kostet ja nur das Geld und die Nerven der Apotheker, so what … 😂 Zumindest bekomme ich bald Cannabis straffrei, ist ja nicht alles schlecht, lasst uns fair bleiben.

Ich hab einfach die Schnauze voll und solchen Hass auf die Politik, dass ich Mordphantasien habe, obwohl ich weiß, dass das Unsinn ist. Wohin treibt dieses Gesindel uns und Millionen andere anständige Menschen im Land?

Ich hab so die Schnauze voll, dass Siri mir gerade Phantasie mit „F“ vorschlägt, weil eine Rechtschreibreform sich an den unterbelichteten Idioten orientiert, welche sich die Herkunft der klassischen Begriffe nicht merken kann und damit unsere Sprache verhunzt. Von Gendern will ich gar nicht sprechen…

Ich hab so die Schnauze voll! 

Und ich hab sie zu voll, um mich für diesen Ausbruch zu entschuldigen. Kann gerne von den Admins gelöscht werden, aber gnade Gott dem Ar###l#ch, welches mir mit höfischer Kritik kommt! Wir rutschen auf unserer eigenen Schleimspur in den Abgrund, begreift das endlich!

PS Und ich hab die Schnauze voll, dass mich nachts um 4:00 Uhr meine Tippfehler stören, aber das ist authentisch und bleibt jetzt so. Beschwerden bitte schriftlich an den Ort, wo nie die Sonne scheint.

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E-Rezept: zwischen Entspannung und Vollkatastrophe

Erst einmal: der Start bei uns war besser als befürchtet, auch wenn so manches Erlebnis bestenfalls nur noch für Kopfschütteln sorgt. Wir erleben hier tagtäglich die Höhen und Tiefen dieser digitalen Revolution im Gesundheitswesen. Eines steht fest: Das E-Rezept hat vielerorts nicht nur die Medikamentenverordnung, sondern auch die Nerven der Kunden auf den Kopf gestellt.


Häufig betritt nicht nur die ältere Kundschaft, gesegnet mit einer Portion Technik-Verwirrung, die Apotheke mit einem bunten Mix aus Missverständnissen. Da wären diejenigen, die ohne ihre Versichertenkarte erscheinen, überzeugt davon, dass man sie jetzt ja nur noch einmal im Quartal benötigt – dabei gilt das nur für den Arztbesuch, und nicht bei uns.

Dicht gefolgt von diejenigen, die uns wortlos die Karte hinlegen, nur damit wir sie in den Connector stecken um dann zu festzustellen, dass sich darauf kein E-Rezept befindet. „Aber gestern hat Ihre Kollegin doch gesagt, sie bestellt es für mich!“ Verwirrung pur. Vielleicht einfach mal sagen, dass das Rezept schon abgerufen wurde, und man nur noch zum Abholen kommt (und dafür braucht man die Karte nicht schon wieder).

Andere würden gerne die beim Arzt bestellten Medikamente für den Nachbarn mitnehmen- natürlich ohne die Versichertenkarte („Ach, die brauche ich jetzt jedes Mal?“).


Die Übernahme des E-Rezeptes gestaltet sich besonders in Stoßzeiten und bei bestimmten KrankenKassen zur Geduldsprobe. Manchmal träumt Sandra schon von einer Jeopardy-Wartemelodie, um uns die Wartezeit zu versüßen.

Kunden die, trotz der Anweisung der Praxis erst am Nachmittag ihre Medikamente zu holen, stantepede bei uns aufschlagen gehören genauso zur Tagesordnung, wie Ärzte, die Arzneimittel ohne Arztausweis ordern, weil „der noch in der Praxis im Gerät“ steckt.


Auch befreundete PTA erzählen mir inzwischen von ihren Anekdoten. Ein Kollege wurde tatsächlich mit Traubenzucker beworfen, weil eine Kundin die Warterei satt hatte, und der Meinung war, er sei am Versagen der Technik schuld. Kein Wunder, dass sich derzeit viele Apothekenmitarbeiter beruflich umorientieren…


Das eigentliche Drama offenbart sich jedoch im fehlenden technischen Verständnis, das nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei diversen Arztpraxen (zum Glück nicht unsere!!!) anzutreffen ist. Ein Fax mit dem Foto einer Versichertenkarte zur Übernahme des E-Rezeptes erlebte eine PTA vergangene Woche in diesem Zusammenhang als Krönung des Wahnsinns. Man könnte fast meinen, wir befinden uns in einem absurden Theaterstück. Die PTA dachte sogar ernsthaft darüber nach, ein Foto mit Medikamenten als Antwort zurückzufaxen.


Anstrengend wird es, wenn manche Praxen vergessen zu kommunizieren, dass sie nur einmal am Tag signieren. Das Resultat: Patienten, die dreimal vorbeikommen, nur um festzustellen, dass ihr Rezept noch nicht abrufbar ist. Ein frustrierender Teufelskreis, der durch klare Kommunikation vermieden werden könnte.


Auch die Unflexibilität mancher Praxen ist ein Ärgernis. In Ausnahmefällen, in denen bettlägerige alte Kunden nicht mal eben mit ihrem Rezept in die Apotheke spazieren können, wird sich beharrlich geweigert, ein Papierrezept auszudrucken – selbst wenn es um die dringende Versorgung dieser vulnerablen Patientengruppe geht. Soll nun wirklich jede Apotheke den Weg zweimal machen – einmal hin, die Karte holen, und wieder zurückfahren, um später die Medikamente mir dem Boten zu bringen? Das ist nicht nur ineffizient, sondern grenzt an Unmenschlichkeit.


Trotz aller Vorteile des E-Rezepts für mobile und fitte Patienten, steht außer Frage, dass es für die Heimversorgung und ältere Patienten, die nicht mehr so agil sind, zur totalen Vollkatastrophe werden kann. Manche Gesundheitskarten befinden sich zudem in den Händen von Angehörigen, die sie nicht herausgeben wollen, aus Angst, dass sie verloren gehen.

Es ist an der Zeit, dass alle Akteure im Gesundheitswesen, von den Arztpraxen bis zu den Apotheken, sich zusammensetzen und Lösungen finden. Das E-Rezept sollte das Gesundheitssystem doch verbessern, nicht in eine logistische Sackgasse führen. Kommunikation und Flexibilität sind das Gebot der Stunde, um sicherzustellen, dass die Patienten die Versorgung erhalten, die sie benötigen, ohne dabei im bürokratischen Dschungel verloren zu gehen. Dass es ruckeln würde zu Beginn war klar. Die Vorstadtapotheke ist hier noch ganz gut weggekommen wenn ich höre was woanders an der Tagesordnung ist… hoffen wir, dass es so bleibt!

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Lauterbachs Apothekengrab

Nun sind sie da, die Lauterbachschen Eckpunkte seiner Apothekenvergütungs-Reform. Um es kurz zu machen: Apotheken bekommen noch weniger Geld als zuvor, Apotheker können durch erfahrene PTA ersetzt werden und wir bekommen eine Fülle neuer Aufgaben obendrauf. Da hat sich das streiken ja wirklich gelohnt, was?

Kurz zusammengefasst: statt den Apotheken mehr Geld zur Verfügung zu stellen damit die Angestellten auskömmlich bezahlt werden können, möchte man eine „sachgerechte Umverteilung“ einleiten. Sprich (angeblich) den Apotheken die noch gut laufen Geld entziehen, und es den kleinen Apotheke zukommen lassen. Das wird der Presse zumindest so verkauft, ist aber wie so oft eine Finte. Durch das verstellen vieler kleiner Schräubchen im System wird vorgegaukelt, man täte etwas für die Apotheke vor Ort. In Wirklichkeit wird sie gerade klammheimlich abgeschafft. Hier die Eckpunkte des angeblichen Rettungsplans:

1. Der Nacht- und Notdienst wird besser honoriert indem die packungsbezogenen Zuschläge zur Vergütung von Notdiensten erhöht „um rund 30 Prozent von 21 auf 28 Cent pro Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels“ erhöht werden. Damit werden etwa 50 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen und jede Apotheken erhält dadurch für jeden Notdienst eine Pauschale in Höhe von rund 550 Euro.

2. Der erst kürzlich erhöhte Apothekenabschlag von 2 Euro je Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels wird ab dem 1. Februar 2025 wieder auf 1,77 Euro abgesenkt. (Das ist aber nichts Neues sondern sollte ohnehin schon so passieren).

3. Das Fixum (also das Geld das die Apotheken für die Belieferung des Patienten mit einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel bekommen,) soll statt wie gefordert auf 12 Euro pro Packung ab 2025 lediglich auf 8,54 Euro und im Jahr 2026 auf 8,73 Euro angehoben werden. Und hier kommt der Punkt, der den Apotheken richtig wehtun wird: Die Vergütung pro Medikament wird ab dem Jahr 2025 aber auch von derzeit 3 Prozent auf 2,5% und dann auf 2% ab 2026 gesenkt. Angeblich um die Gewinne einzuschränken, welche die Apotheken bei den Hochpreisern erhalten. Das sorgt aber dafür, dass bereits bei Insulinen weniger verdient wird als heute.

4. Die hier eingesparten Summen (wohlgemerkt – Summen, die man den Apotheken denen es ohnehin schon nicht gut geht aus der Tasche genommen hat) sollen dann ins Packungsfixum wandern, das die Apothekervertretung ab 2027 mit dem GKV-Spitzenverband aushandeln muss. Da sich diese beiden Parteien vor wenigen Monaten noch nicht mal im „Klein-Klein“ bezüglich eines Rahmenvertrages zur Corona-Impfung in Apotheken einigen konnten, ohne die Schiedsstelle anzurufen, wird es sicher extrem entspannt, wenn es um viel mehr geht… und bis sich solch zerstrittene Parteien einigen bleibt ja bekanntlich der Status Quo immer erhalten, man kennt das. Bis spätestens Mitte 2026 muss eine Vereinbarung für die Anpassung des Packungsfixums mit Wirkung zum 1. Januar 2027 vorliegen sagt Lauterbach…

5. Die Nutzung technischer Einrichtungen zur Videokonsultation bei der Arzneimittelabgabe soll möglich werden – Telepharmazie. Und wozu das? Ganz einfach, um eine (wie der BvPTA treffend formulierte) Schrumpfapotheke zu ermöglichen: „Soweit eine solche telepharmazeutische Beratungsmöglichkeit mit einer Apothekerin oder einem Apotheker der Apotheke beziehungsweise des Filialverbunds zur Verfügung steht, können Apotheken und Filialen auch vorübergehend öffnen, wenn eine erfahrene PTA vor Ort die Arzneimittelabgabe übernimmt“. Meine Berufsgruppe soll sich also für das gleiche Gehalt in reinen Abgabestellen verheizen lassen. Prima Idee. Demnächst geht das sicherlich auch ganz ohne pharmazeutisches Personal, wenn die Putzfrau mal Zeit hat, oder? Der erste Schritt hin zu den Ketten, und wir sind live dabei.

6. Mehr Geld nur durch die Übernahme neuer Aufgaben: „Apotheken sollen verstärkt in die Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen eingebunden werden, etwa durch die Etablierung neuer pharmazeutische Dienstleistungen oder eine stärkere Einbeziehung in entsprechende Check-up-Untersuchungen.“ Die Ärzte werden sicher begeistert sein, wenn wir uns schon wieder in ihre „hoheitlichen Aufgaben“ einmischen, das kann man glauben.

Die „Freie Apothekerschaft“ hat ein Tool eingerichtet, über das jede Apotheke ausrechnen kann, wie viel Verluste diese Vorhaben mit der „Umverteilung“ mit sich bringen: https://www.wir-sind-die-apotheke.de/

Bislang habe ich noch von niemandem gelesen, der dadurch mehr verdient, im Gegenteil. Selbst kleine Landapotheken legen drauf, eben nicht so viel wie die Großen, aber auch sie werden nicht gerettet damit. Wofür haben wir da also demonstriert? Wir können im Grunde nur hoffen, genügend Bundestagsabgeordnete durch die Hilferufe erreicht zu haben, dass Lauterbach ein Riegel vorgeschoben wird. Ansonsten wird es die Aufgabe eines/einer jeden Apothekeninhabers/inhaberin sein, dafür zu sorgen, dass nach einem kritischen Blick auf die Zahlen sinnvolle Entscheidungen folgen.

Entweder man wickelt seine „Bude“ jetzt ab, und findet für sich und die Angestellten eine bessere Zukunft, oder man gehört zu denen, die in den kommenden Jahren vom Eingehen der kleinen Apotheken profitieren. Mehr Arbeit für das gleiche Geld bedeutet das, wir lassen uns ausbeuten und schauen dabei zu, wie die Ketten früher oder später übernehmen, um die Bevölkerung außerhalb der Ballungszentren zu versorgen. Können wir noch etwas dagegen tun? Nur dann, wenn Lauterbachs Pläne jetzt durch das Votum der Bundestagsabgeordneten durchkreuzt werden. Ihr solltet mit ihnen sprechen. Jetzt.

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Viel Geld für nichts

Kürzlich hatte ich wieder so einen Aufreger… den wenigsten Menschen ist es bewusst, dass Nahrungsergänzungsmittel zu den Lebensmitteln zählen, und nicht zu den Arzneimitteln. Und selbst wenn es jemand wüsste, die Information, dass das bedeutet, dass im Grunde garnicht drin sein muss, was draufsteht, Hauptsache es ist nicht gesundheitsgefährdend, ist ihm vermutlich noch weniger bewusst.

Nahrungsergänzungsmittel müssen nur registriert werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden, sie werden dafür nicht geprüft. Das kann zu solch absurden Situationen führen, wie wir sie neulich lesen konnten: https://www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk-nachrichten/detail/44-23-information-der-institutionen-und-behoerden-amk-zl-fehlender-inhaltsstoff-bei-chondroitin-haltigem-nahrungsergaenzungsmittel/

„Die AMK erreichte eine Meldung aus einer Apotheke zum Mindergehalt zweier Chondroitin-haltiger Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Die Apotheke monierte, dass die Präparate nicht den deklarierten Gehalt bzw. Inhaltsstoff enthalten. Eines der Produkte wird mit einer eigenen Pharmazentralnummer in der ABDA-Datenbank gelistet.“

Wie die Apotheke auf die Idee gekommen war, diese NEM zu testen stand leider nicht dabei. Das ZL untersuchte daraufhin sogar noch weitere Chargen, um ein „Versehen“ auszuschließen – auch hier konnten lediglich Spuren von Chondroitinsulfat nachgewiesen werden, die weit unterhalb der Menge lagen, die auf dem Produkt deklariert ist. Statt des Wirkstoffes fand sich Maltodextrin in der Kapsel, welches sich laut Packungsbeilage gar nicht im Produkt befinden sollte.

Was war nun die Konsequenz für die betroffenen Firmen? Ein Rückruf? Nein. Weit gefehlt! Da hätte man ja gewusst, wer da gepfuscht hat. In der Meldung heißt es: „Die AMK konfrontierte die Firma mit den Analyseergebnissen und informierte begleitend die zuständige Behörde. Der AMK gegenüber bestätigte die Firma mittels Stellungnahme den Mindergehalt(…). Die Firma entschied sich gegen einen Rückruf der betroffenen Ware, auch weil nicht von einer potenziellen Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher auszugehen sei .

Also noch einmal an dieser Stelle für alle die es noch nicht wussten: ein Nahrungsergänzungsmittel darf schon im günstigsten Fall laut Gesetzeslage bis zu 50% vom deklarierten Gehalt abweichen. Doch auch wenn sich quasi gar kein Wirkstoff darin befindet ist das kein Problem, so lange dies nicht die Gesundheit der Anwender gefährdet. Jetzt darf jeder nochmal drüber nachdenken, ob er das nächste Mal nicht lieber ein NEM kauft, das von einem Hersteller kommt, der auch Arzneimittel produziert, und der beides vermutlich an denselben Maschinen fertigt. Hier erscheint mir die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch wirklich das drin ist, was draufsteht.

Warum? Ganz einfach: die Erklärung des Herstellers der Maltodextrin Kapseln für diesen „Fauxpas“ war, „dass sich der tatsächliche Gehalt an Chondroitin in dem Rohstoff nicht mit den Angaben im Analysezertifikat des Lieferanten decke“. Hätte er ein AM hergestellt, hätte er das zwingend in einem Labor überprüfen müssen. Dieser Hersteller hat das für ein NEM offenbar nicht für nötig gehalten.

Es ist ein Unding, dass so etwas sein darf, und man den Verbraucher auf diese Art (bewusst?) hintergeht. Um so wichtiger ist es, dass wir in den Apotheken aufklären. Das hier ist auch ein prima Beispiel für alle Kunden, die nicht verstehen, warum ein Magnesiumpräparat aus der Apotheke so viel teurer ist, als eines aus dem Supermarkt…

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Der Tag der Antworten

Der „Tag der Antworten”

Nachdem die Herz-Postkartenaktion genauso still vorbei gegangen ist, wie es die meisten Apothekenmitarbeiter schon befürchtet hatten steht nun die nächste Eskalationsstufe auf der Agenda der ABDA. Es ist wieder ein Streik – vielmehr ein Streikchen. Es ist ein vermutlich fast unhörbar verpuffender 3-Stunden-Streik an einem Mittwochnachmittag geplant, nämlich am 27.09., an dem ohnehin viele Apotheken frei haben, und die, die arbeiten müssen, haben zum großen Teil Mittagspause.

Wie kommt man auf eine solche Idee? Der Streik soll dann stattfinden, wenn der Gesundheitsminister Lauterbach auf dem Deutschen Apothekertag spricht, der in diesem Jahr eingebettet in die Expopharm in Düsseldorf stattfindet. Allein – der Minister kommt gar nicht “himself”, sondern wird sich wie im vergangenen Jahr auch digital zuschalten lassen. Während er also über die Zukunft der Apotheken spricht, soll die Arbeit in denselben still stehen, damit jeder der es möchte seinen Ausführungen lauschen kann.

Das sollen die Apotheken natürlich auch den Patienten kundtun… nur wird ihnen das überhaupt auffallen? Und ist es nicht eigentlich zu viel Wertschätzung, dann zu schließen, nur damit wir an den Lippen des Ministers kleben können? Was ist eigentlich, wenn er beschließt, sich doch nicht zuschalten zu lassen? Vielleicht weil ihm in letzter Minute noch etwas wichtigeres dazwischengekommen ist? Vielleicht ist ihm auch übel von den 6 Fragen der ABDA, die er dort beantworten soll (weswegen die Standesorganisation den 27.09. bereits den „Tag der Antworten“ nennt):

  • Warum weigern Sie sich, die Honorierung der Apotheken nach mittlerweile elf Jahren Stillstand an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung anzupassen, obwohl sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag die Stärkung der Apotheken vor Ort zum Ziel gesetzt haben?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass in Zukunft wichtige wirtschaftliche Faktoren, wie etwa die Inflation oder der Verbraucherpreisindex, in der Höhe des Apothekenhonorars regelmäßig berücksichtigt werden?
  • Wie und wann wird die Bundesregierung die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Versicherte Anspruch auf ein interprofessionelles Medikationsmanagement, wie im Modellprojekt ARMIN demonstriert, bekommen?
  • Wie will die Bundesregierung die Apotheken vor Ort dabei unterstützen, die flächendeckende Arzneimittelversorgung – auch in ländlichen Regionen – in Zukunft sicherzustellen?
  • Wie will die Bundesregierung den Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Heilberufen einerseits und den Patientinnen und Patienten andererseits gewährleisten, wenn die Krankenkassen, wie im Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes vorgesehen, die Daten ihrer Versicherten patientenbezogen auswerten und diesen Hinweise zu Gesundheitsrisiken geben dürfen?
  • Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, die einseitige Wirtschaftlichkeitsorientierung in der Arzneimittelversorgung (etwa im Rabattvertragsbereich) zurückzudrehen, um die Liefersituation endlich zu verbessern?

Bleibt er dem DAT also nicht nur körperlich, sondern in letzter Minute komplett fern, dann stehen wir Apotheken ein wenig dumm da – kurze Hose, Holzgewehr. Wir würden dann schließen für einen Vortrag, der gar nicht stattfindet. Wäre doch ein gefundenes Fressen, das KL genauso hämisch bei Twitter kommentieren würde, wie den vergangenen Apothekenstreik am 14.06. am Fenster seines Arbeitszimmers. So in der Art “Schau mal wie sie da laufen, die Apothekerlein. Süß”. Sechs Terminvorschläge der ABDA hat er bislang unkommentiert gelassen, es ist ihm noch nicht einmal eine Absage wert.

Viele Apotheker:innen würden sich statt des Ministreiks lieber dem Ärztestreik am 2.10. anschließen, und gemeinsam mit dem Schwesterberuf demonstrieren, aber wie man hört, möchten das die Ärztevertreter nicht.

Auch ihnen ist klar, dass sie dann eher noch weniger mediale Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie sich mit den Apothekern gemein machen. Denn wir wollen ja nicht helfen, wir wollen immer nur mehr Geld. Ist doch allgemein bekannt, dass Apotheker:innen ausschließlich raffgierig sind, oder? Der Drittporsche muss ja irgendwie bezahlt werden… “Ironie aus”.

Es ist traurig, aber ich meine, diese Andeutung eines Streiks ist eher kontraproduktiv. Viele Apotheker:innen sehen den Sinn darin nicht, und würden sich nicht anschließen, was dazu führt, dass der starke Zusammenhalt, den wir am 14.06. noch gesehen haben, verpufft. Ich bin an dem Tag ohnehin selbst auf der Expopharm und werde sehen, welche Stimmen ich einfange. Stay tuned…

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Fremdschämen…

Neulich am Strand: ich bin mit Jana, einer ehemaligen Mitschülerin der Tierheilpraktiker-Fortbildung unterwegs, und wir schlendern genütlich den Ostseestrand entlang. Quatschen, klönen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und entspannt sein – herrlich.

Wir kommen zum Hundestrand, was in uns immer ein wenig Neugierde weckt. Die Tiere tollen miteinander herum, einer hinkt etwas, ein anderer hat eine Bindehautentzündung. Wir unterhalten uns weiter, sprechen miteinander, was wir empfehlen würden. Da kommt ein Auto gefahren, weithin sichtbar prangt ein Apotheken-A auf der Kühlerhaube. Es entsteigt eine gut gekleidete Mittfünfzigerin mit einem hellen, Langhaarmix. Er hüpft aus dem Auto und frisst sofort Gras. Nicht nur ein kleines bisschen, sondern ausdauernd.

Die Dame zieht ihn weg, und als sie an uns vorbeiläuft sieht man, dass die Pfoten dunkel sind vom Speichel. Offenbar ein Pfotenlecker. Meine Bekannte und ich sehen uns an: Grasfressen, Pfotenlecken – das deutet auf Verdauungsprobleme hin. Wenn ich nicht direkt gefragt werde, dann halte ich mich eigentlich bedeckt, und versuche meine Beratungslaune zurück zu halten. Nicht so aber Jana, die ein größeres Sendungsbewusstsein hat als ich.

„Entschuldigung? Wir haben gerade bemerkt, dass ihr Hund Gras frisst. Offenbar leckt er sich auch die Pfoten. Das könnte auf Verdauungsbeschwerden oder einen Nährstoffmangel hindeuten. Ich kann sie gerne dazu beraten, ich bin Tierheilpraktikerin. Darf ich fragen, wie Sie ihren Hund ernähren?“

„Nein, das dürfen Sie nicht! Ich weiß genau was ich mache, ich bin APOTHEKERIN! Ich lasse mich doch hier nicht von Ihnen BELEHREN!“

Jana blieb die Spucke weg, und ich grinste nur. Dachte ich mir schon irgendwie. Den Rest des Weges unterhielten wir uns nur über die Dame.

„Wie kann es sein, dass die Frau so biestig ist? Ich hab es doch nur gut gemeint! Ich wollte ihr doch nur helfen, ich wollte doch gar kein Geld dafür!“

„Mit Apothekern musst du anders reden Jana“ grinste ich. „Darf ich sie dazu beraten?“ ist ein Satz, den wir aus der Apotheke kennen. Wer den ganzen Tag berät, der will selbst nicht beraten werden. Der Schuster hat die schlechtesten Leisten, und ein Arzt ist der anstrengendste Patient.“

Ein bisschen peinlich war mir die Vorstellung dennoch, welche die Apothekerin gegeben hatte. Fremdschämen war angesagt. Apotheker:innen sind nun mal wirklich häufig ein Fall fürs (Apotheken-) Theater 🙂

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Zytos im Sommerloch

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Was haben ein Kaiman namens Sammy, eine Löwin die ein Wildschwein gewesen sein soll und ein angeblicher Skandal rund um Krebsrezepturen gemeinsam? Genau: sie füllen das alljährlich auftauchende Sommerloch in den Medien.

Dieses Mal in der Hauptrolle: ein um die Krankenkassenausgaben besorgter Whistleblower-Apotheker, der vielleicht grundsätzlich nicht ganz Unrecht damit hat, dass auf diesem Sektor sehr vieles gemauschelt wird, dessen Aussage aber viel zu pauschal ist, und die Apothekerinnen und Apotheker, die Rezepturen zur Behandlung von Krebserkrankungen herstellen allesamt schlecht dastehen lassen. Schlimmer noch – für Außenstehende sieht es sogar so aus, als würden sich alle Pharmazeuten hier ungerechtfertigt die Taschen füllen, während sie andernorts auf die Straße gehen, und sich darüber beklagen, dass die Arbeit kaum auskömmlich ist.

Gerade in dem Moment, in dem man das Gefühl hatte, dass eine breite Mehrheit innerhalb der Bevölkerung sich solidarisch mit den Apothekenmitarbeitern zeigt, platzt eine solche Bombe hinein – für Lauterbach eigentlich viel zu schön, um “zufällig” genau zu diesem Zeitpunkt zu kommen, oder? Doch beginnen wir mit vergangener Woche – was wurde wo ausgesagt:

Mit Berufung auf Aussagen des “Whistleblowers” berichteten die Süddeutsche Zeitung, der NDR, der WDR, und vor allem das ARD-Magazin Monitor von Großhandels- Preislisten von Krebsmedikamenten, die zeigen sollen, dass der Ertrag den die Apotheken “auf Kosten der Beitragszahler” erwirtschaften immens ist. Als Beispiel wird der monoklonale Antikörper Bevacizumab genannt, für den die Kassen 1.109 Euro an die Apotheken zahlen, der diese aber nur 360 beim Großhandel kosten würde. Auf diese Weise hätten sich die beteiligten Apotheken im Jahr 2021 mindestens 540 Millionen unrechtmäßig unter den Nagel gerissen. Diese Gewinne  

Darüber, was die Einrichtung und der Betrieb eines Zytolabors kostet (alleine der Filterwechsel bei einer Werkbank lässt einen schwindeln) wurde nicht gesprochen. Die jährlichen Ausgaben für einen einzigen Reinraum liegen oft im sechsstelligen Bereich. Zudem werden auch Rezepturen hergestellt, die der Apotheke ein Defizit bringen, das ausgeglichen werden muss. Den Krankenkassen ist diese angebliche “Geldverschwendung” bekannt – es gibt hier durchaus einen Grund, warum nicht gleich die Retax aus der Schublade gezogen wird, oder anderweitige Effizienzreserven gehoben werden möchten. Auch gibt es einen Grund, warum von den fast 18.000 Apotheken in Deutschland lediglich 300 auch Krebsmedikamente herstellt. Würde man sich damit dermaßen dumm und dusselig verdienen, ohne ein persönliches Risiko einzugehen – man könnte meinen, die Apotheker:innen würden sich darum schlagen, in so einem Markt mitmischen zu dürfen, nicht wahr?

Der Apotheker Robert Herold behauptet zudem, dass ihn eine Onkologin aufgefordert hätte, für das Zuweisen der Rezepturen 5000 Euro in bar monatlich unter der Hand zu zahlen. Er solle das Geld einfach auf die Lieferkisten legen, wurde ihm gesagt. Ein anderer Mediziner wollte gleich 20.000 Euro im Monat dafür haben. Das scheint leider kein Einzelfall zu sein, und ist es tatsächlich wert, hier einmal genauer hinzusehen. Auch in den sozialen Medien liest man es in beinahe jedem Gruppenchat, dass das seit Jahren gang und gäbe sein soll. Und Bereicherung aufgrund von Verordnungen ist definitiv nicht in Ordnung. Nicht umsonst wird am Edikt von Salerno auch heutzutage noch festgehalten, denn das wird früher oder später immer auf Kosten der Patientengesundheit gehen. DAS ist WIRKLICH moralisch verwerflich.

Für einen kommt dieses Statement genau zur rechten Zeit: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er reagierte sehr schnell auf die Causa Herold, und sagte, dass die hohen Gewinne bei Zytostatika “kein haltbarer Zustand” seien und er dies nun regulatorisch angehen möchte. Bravo. Ich bin gespannt, wie er das umsetzen möchte, und wie viele der ohnehin nur 300 Zyto-Apotheken dann pleite gehen. So hemdsärmelig wie Herold die Rezepturen vorführte, ist es eben nicht überall. Reinräume, ein sinnvoller Arbeitsschutz, sichere Werkbänke – all das scheint seiner Darstellung nach ja überflüssig zu sein. Den Apotheken die ordnungsgemäß arbeiten, sowie den Apotheken, die keine Zytos herstellen hat er mit seiner Selbstdarstellung in den Medien jedenfalls einen Bärendienst erwiesen.

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Heilerde auf Abwegen

Ich bin immer bereit, mich auch zu hinterfragen. Neulich bin ich von einem Menschen, dessen Urteil mir etwas bedeutet gefragt worden, ob ich der Meinung bin, dass ich trotz meiner vielseitigen beruflichen Engagements allen gerecht werden kann. Spontan habe ich „ja“ gesagt, und ich bin auch weiterhin der Ansicht, dass ich hinter diesem „ja“ stehen kann. Trotzdem beobachte ich mich derzeit besonders genau. Bin ich so überall so engagiert, wie man es von mir erwartet?

Auch Teilbereiche hinterfrage ich: lese ich genug Fachliteratur, um den Ansprüchen an die Artikel gerecht zu werden, die ich schreibe? Habe ich ein offenes Ohr für Schülerfragen, und erkenne ich, wenn jemand auch ganz ohne zu fragen in Nöten ist? Und in der Apotheke: berate ich die Kunden so, wie sie es verdienen? Frage ich genug nach?

In dieser Selbstbeobachtung steckte ich gerade, als eine Kundin ein Antibiotikum für ihre (erwachsene) Tochter bei uns abholte. Daher war ich besonders gründlich, und fragte die Mutter, was genau der Tochter fehlt, und ob sie ansonsten versorgt ist. Die Mutter winkte ein wenig ab. „Ja. Meine Tochter ist da ja sehr gut ausgestattet in ihrer Hausapotheke, danke. Das ist auch schon das zweite Antibiotikum, weil das erste nicht gewirkt hat“ Ich erwähnte, dass sie gerne zu uns kommen kann, sollte sie während der Antibiotika-Behandlung plötzlich Durchfall bekommen. Eigentlich wollte ich auf das Thema Probiotika hinaus.

„Kein Problem. Das wissen wir schon. Deshalb hat meine Tochter sich auch schon in der Drogerie mit Heilerde versorgt. Gegen den Durchfall.“

„Die Heilerde, nimmt sie die denn zusammen mit dem Antibiotikum ein?“

„Ja genau. Deshalb hat sie auch beim letzten Mal keinen Durchfall bekommen.“

„Das ist aber vielleicht auch der Grund, warum das Antibiotikum nicht gewirkt hat. Heilerde hat die Eigenschaft, dass sie Schadstoffe an sich bindet, und aus dem Körper ausschleust. Und genau wie Schadstoffe können sich auch Medikamentenwirkstoffe an die Oberfläche der Heilerde binden. Deshalb sollte zwischen der Einnahme der Heilerde und Medikamenten immer ein größerer zeitlicher Abstand sein.“

Die Frau war sehr dankbar für den Tipp, und ich war froh, dass ich nochmal nachgehakt hatte. Man erfährt nur etwas, wenn man auch aktiv hinterfragt. Und ganz besonders dann, wenn man sich selbst dabei auch ab und zu genauer unter die Lupe nimmt.

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Fiebersaft zum Nulltarif

Wer erinnert sich nicht an das Chaos im vergangenen Winter, als es plötzlich weder Fiebersäfte noch Schmerzzäpfchen für Kinder mehr gab? Wer erinnert sich nicht mehr an die Mütter, die mit ihrem Rezept in der Hand viele –zig Kilometer nach der nächsten Apotheke auf der Suche war, die noch in echter Handarbeit beides hergestellt hat?

In Zeiten der Personalnot war es für viele ein echter Kraftakt, auch noch eine Person zum Zäpfchengießen abzustellen, wenn man überhaupt dazu in der Lage war, die Grundstoff zu beschaffen! Dann ging häufig noch die Diskussion mit den Kinderärzten los, die entweder nichts davon als Rezeptur verordnen wollten, weil sie um ihr Budget fürchteten, oder die schlicht nicht wussten, wie sie ein solches Rezept ausstellen mussten. Da gab es Unsicherheiten bezüglich der Formulierungen auf dem Rezept, oder auch Schwierigkeiten, weil der Fiebersaft gemeinsam mit dem Antibiotikum auf einem Rezept stand, aber als Rezeptur einzeln abgerechnet werden muss.

Wir haben wieder und wieder telefoniert, erklärt, vertröstet, uns mit den Kassen auseinandergesetzt, wie wild Zäpfchen einzeln eingerollt und beschriftet – und wir haben die Dosierungsanleitungen aus dem Netz geholt und ausgedruckt, damit die Eltern wissen, wie genau sie die Rezeptur nach dem Körpergewicht anpassen müssen.

Das perfide: eine Dosierung auf dem Rezept wird bei Fertigarzneimitteln nur dann verlangt, wenn sie verschreibungspflichtig sind, und das sind Paracetamol-Zäpfchen oder PCM-Säfte ja nicht. Handelt es sich aber um eine Rezeptur, dann muss formal eine Dosierung aufgedruckt werden. Die Kinderärzte haben es oft vergessen in der Aufregung, und wir Apothekenmitarbeiter wohl auch ab und an. Das Wichtigste war zu diesem Zeitpunkt unter Zeitdruck mit einer komplizierten Rezeptur die Kinder schnell zu versorgen, um Leid zu ersparen.

Die Politik und die Krankenkassen haben sich auch ganz artig bei uns bedankt, und mit einem falschen Lächeln im Gesicht betont, wie wichtig die Arbeit der Apotheken gerade jetzt ist, und wie sehr sie dankbar sind, dass wir uns der Verantwortung angenommen haben – wieder einmal. Es wurde sogar das Versprechen gegeben, bei Rezepturen die Mehrkosten für ihre Versicherten zu übernehmen und die Apotheken unkompliziert agieren zu lassen Was jetzt folgt ist aber das genaue Gegenteil: bestimmte Krankenkassen, ganz vorne dabei die IKK classic haben nun damit begonnen, die Rezepturen, auf denen die Dosierung fehlt, gezielt herauszufischen und mit einer Nullretax zu belegen.  

Das bedeutet, dass die Apotheke nicht nur kein Geld für die Herstellung der Rezeptur bekommt (knapp 10 Euro, also eher ein Witz), sondern sie nicht einmal die Materialien bezahlt, die zu Herstellung nötig waren. Das bedeutet, die Apotheken haben sich nicht einmal für Garnichts den Allerwertesten aufgerissen, sondern sie dürfen den ganzen Aufwand auch noch komplett selbst bezahlen und drauflegen.

Wertschätzung sieht für mich definitiv anders aus! Und dass wir hier von der Politik alleine gelassen werden zeigt ganz deutlich, wie verdammt wichtig es ist, auf die Barrikaden zu gehen und gegen ein solches Vorgehen zu protestieren. Die Apotheken sollten gezielt ihre Kunden ansprechen, die bei der IKK classic versichert sind, und sie über das Gebaren ihrer Kasse aufmerksam machen. Wahlweise ist es natürlich auch möglich, bei formalen Problemen wie fehlenden aut-idem-Kreuzen, nicht lieferbaren Arzneimitteln oder ähnlichem mehr die Kunden nicht zu beliefern.

Man könnte sie auch mit dem Hinweis wie restriktiv ihre Kasse retaxiert zum Ändern des Rezeptes zum Arzt zurückschicken. Schauen wir mal, wie lange es dauert, bis bei dieser IKK die Telefone klingeln…

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