Ungenügend

Heute hatten wir am morgen eine Produktschulung. Die Dame war in der Apotheke, um uns die Produkte einer neuen Kosmetikmarke speziell für Allergiker  näher zu bringen. Wir haben unser Sortiment in der Freiwahl kürzlich um diese Firma erweitert, und die gutaussehende Frau erklärte uns heute, was drin steckt, welches Produkt für wen geeignet ist, und war eifrig dabei, uns noch zusätzliche Kombisets mit Fuß – und Beincremes ins Kreuz zu leiern. Ich wusste anfangs überhaupt nicht, was ich von ihr halten soll, war mir am Ende ihres Vortrages aber sicher, dass ich sie nicht leiden kann. Die Produkte selbst sind gar nicht schlecht, die Linie sehr klar, kompakt und übersichtlich und der Preis absolut im Rahmen. Was mir zunehmend mißfiel war nur die Art der Präsentation.  Sandra hatte ein paar kritische Fragen bezüglich dreier Inhaltsstoffe (Parabene, Bisabolol und Duftstoffe), die ja landläufig in keinem Produkt zu finden sind, das sich speziell als Hautpflege für Allergiker versteht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die schöne Frau ernsthaft versuchte auf die geäußerten Bedenken einzugehen Sie betonte zwar immer wieder, wir dürften ruhig kritisch hinterfragen, aber eine zufriedenstellendere Antwort als

„Wenn das nicht vertragen werden würde, dann hätten das die umfangreichen Studien in Spanien oder München bereits gezeigt. Haben sie aber nicht.“

gab es nicht. Auch hatte sie keine ihrer häufig erwähnten Studien zum durchlesen mitgebracht, was mir ebenfalls nicht gefiel. Als sie eine BB Creme mit einer Tönung vorführte, die angeblich bei allen Hauttypen und Teintfarben angewandt werden kann, und Sandra die eine sehr helle Haut hat ihr das absolut unpassende Ergebnis unter die Nase hielt hörten wir wieder nur:

„Ach was, das passt schon!“

Beim Blick auf Sandras hellen Handrücken mit den dunklen Cremeschlieren fiel mir dazu nur mein alter Chemielehrer auf dem Gymnasium ein, der uns mit den Worten:

„Und hier seht ihr einen wunderschönen blauen Niederschlag“

einen grasgrünen Bodensatz präsentierte. Weil einfach nicht sein kann, was nicht sein darf. Vollends unglaubwürdig machte sie sich aber bei mir, indem sie ständig irgendwelche Anwendungsbeispiele innerhalb ihrer Familie bemühte. Ihre Mutter habe ja angeblich sooo schlechte Haut, daher sei die Gesichtscreme wirklich gut, denn die ist nicht komedogen. Und ihr Bruder hat im Sommer auf einer Baustelle gearbeitet und sich einen „Wolf gelaufen“, die Windelcreme hat ihn angeblich gerettet etc. Was mich daran nervt? Jeder Außendienstler hat eine Oma, ein Kind, einen Partner oder eine Tante denen er das beworben Produkt „nur mal so zum ausprobieren“ gegeben hat, und alle waren „total erstaunt WIE gut das geholfen hat“. Wenn ich mal wetten darf würde ich die kühne Behauptung in den Raum stellen, dass 90% dieser Familienangehörigen noch niemals mit diesen Cremes, Duschgelen, Tabletten oder Pflastern in Berührung gekommen sind. Es ist schlichtweg einprägsamer wenn bei einer solchen Produktpräsentation persönliche Beispiele genannt werden. Das gibt so einen „authentischen touch“, und den Eindruck glaubwürdig zu sein. Woher ich das wissen will? Leute bitte… Wir sind doch auch „Verkaufspersonal“, wir besuchen doch ebenfalls Schulungen nach dem Motto: wie bringe ich kundennah Dinge an den Mann oder die Frau, mit welchen Tricks verkaufe ich besser, mit welcher Hand überreiche ich etwas an den Käufer damit er es nicht mehr weglegt, wie schaue ich den Leuten dabei ins Gesicht, welche Wortwahl nutze ich um glaubwürdig und sympathisch rüberzukommen, wie transportiere ich den Mehrwert eines Produktes am besten und welche kleinen Geschichten erzähle ich dem Endverbraucher, damit er mir abnimmt, dass es meine tiefste innere Überzeugung ist, dass er genau das was er in seiner rechten Hand hält unbedingt braucht. Und wie mache ich das am plumpsten und einfachsten? Indem ich erzähle ich würde das in meiner Familie ebenfalls abgeben. Denn wenn meine Familie das von mir erhält KANN es ja nur spitze sein, denn für die Familie gibt man schließlich nur das Beste. Nee, nee. Das nervt mich, denn es zeigt mir deutlich, dass den betreffenden Damen und Herrn nicht bewusst ist, mit wem sie eigentlich reden, dass wir auch Profis sind. Und wenn ich so deutlich bemerke dass ich nicht für voll genommen werde, und quasi mit Taschenspielertricks Dinge untergejubelt bekommen soll hält sich meine Sympathie für die betreffende Person in Grenzen. Sorry Mädel. Setzen, fünf.

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7 Antworten zu Ungenügend

  1. ednong schreibt:

    Ihr werdet geschult, um mehr zu verkaufen? Eijeijei. Und gebt euren Familien nix von den Wundermittelchen ab, damit es ihnen besser geht?

    Das Beispiel mit dem blauen Niederschlag – köstlich 😉 Und in welche Hand muß man das dem Kunden geben?

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    • ptachen schreibt:

      Von der rechten Hand übergeben in die rechte (bei Linkshändern in die linke). Aber Hauptsache der Käufer hat das Produkt überhaupt in der Hand. Wir Menschen geben ungern etwas wieder her das wir einmal „besessen“ haben…

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  2. Molly L. schreibt:

    Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Du Dich darüber beschwerst, von der Dame so behandelt zu werden, wie Ihr wiederum die Kunden behandelt?

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    • ptachen schreibt:

      Wir behandeln die Kunden ja gar nicht so! Ich wohne auf einem Dorf, und jeder zweite Kunde kennt meine Familie, da werde ich den Teufel tun und ihnen vorlügen, dass sie dies – und jenes schon probiert hätten. Außerdem leben wir von Stammkundschaft (über 90%). Wenn die das Gefühl hätten sie bekämen jedes mal irgendwas angedreht das sie gar nicht wollen, dann kommen sie irgendwann nicht mehr. Nein. Wir verkaufen wirklich ausschließlich das, hinter dem wir wirklich stehen – aber die Verkaufstricks, die kennen wir eben auch…

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  3. Julia schreibt:

    Ajajajaj, das mit den Duftstoffen… Gerade da gibt’s doch immense Allergien, Geraniol, Lenalool, alles bekannt. Das braucht man dann auch nicht versuchen schön zu reden. Manchmal habe ich das Gefühl, Apothekenprodukte sind auch nicht viel besser als Drogerieprodukte, was natürlich nicht eure Schuld ist. Aber schön, dass ihr wenigstens nachfragt.
    Ich benutze ja jeden Tag Sonnencreme (da ich auch viel chem. Peele) und gerade in dem Bereich sind wenige Reizarme Cremes mit neuen chem. Filtern zu finden. Letztens habe ich mich mal wieder in meiner Apotheke umgesehen, die eine große Auswahl und auch eine eigene Kosmetikerin haben. Ich habe ihr erklärt was ich will, sie zieht eine raus, trägt sie mir auf den Handrücken auf mit dem Satz „Ich benutze die auch. Die habe ich schon jedem in meiner Familie empfohlen.“ Ich, dumdöselig wie ich bin, glaube das und frage nur noch kurz nach Alkohol (zur konservierung, nicht Fettalkohole) in dem Produkt, da der (nicht ganz sicher in der Studienlage, aber wahrscheinlich) ab 3% das Zellsterben begünstigt und meine Haut auch austrocknet. Das war ihr völlig unbekannt, also überhaupt das Alkohol darin enthalten sein könnte rief bei ihr ein Sie-haben-doch-keine-Ahnung-lächeln hervor und sie verneinte das.
    Ich habe sie dann nicht gekauft, daheim nachgesehen und an zweiter Stelle stand Alkohol.
    War für mich sehr schade und ich werde zu dieser Kosmetikerin ganz sicher nicht mehr gehen. Also ich verstehe deine Abneigung gegen diese Verkaufstaktiken. Hätte sie Ahnung gehabt, hätte sie mich anders überzeugen können und nicht in der Familienkiste kramen müssen.

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    • ptachen schreibt:

      Rein gefühlsmäßig hätte ich jetzt mal ins Eucerin Sonnenregal geschaut, die sind auf jeden Fall immer „on top“ was Produktneuentwicklungen in diesem Bereich angeht, und in der Regel auch super verträglich. Ich schau am Montag gerne mal nach was drin ist! Demnächst haben wir auch mal wieder eine Sonnencreme- Schulung, da kann ich gerne ebenfalls das gelernte weitergeben falls Interessenten besteht!

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      • Julia schreibt:

        Es war eben sogar leider eine Eucerin die sie da rauszog, sonst mag ich die Marke ja gern. Alkohol ist aber wohl ein spezielles Thema. Oh ja, wäre toll wenn du das weitergeben könntest 🙂

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